Einen enormen musikalischen, logistischen und auch technischen Kraftakt leisteten die Verantwortlichen und Mitwirkenden des Liederkranzes Leingarten in den vergangenen zwölf Monaten. Das dreiteilige Weihnachtsoratorium „Des Heilands Kindheit" von Hector Berlioz (1803 bis 1869) ist eine Herausforderung für den 60- köpfigen Chor, der vom Kammerorchester Neckarsulm sowie von fünf Solisten klanggewaltig unterstützt wird.
Blickwinkel Die Sicht des Evangelisten Matthäus zeigt einen ungewohnten Blickwinkel auf das Geschehen rund um Jesu Geburt, das eher aus dem Lukas-Evangelium bekannt ist. Die anspruchsvollen, teilweise langatmigen Passagen dämpfen den Musikgenuss der rund 600 Zuhörer in der vollbesetzten Eichbott-Halle, trotz nuancenreicher Melodik der Musiker und Sänger. Aufgelockert wird die halb-szenische Aufführung in schlichter, aber eindrucksvoller Kulisse durch jugendliche Schauspieler in römischen Gewändern sowie die akrobatischen und harmonisch fließenden Einlagen der Ballettgruppe der Jugendmusikschule „Different Faces" aus Freiberg/Pleidelsheim.
Melodiös Zurückhaltende Orchesterbegleitung stimmt ohne Ouvertüre in den Beginn der Heilsgeschichte ein, deren Entwicklung vom international erfolgreichen Schwaigerner Tenor Tilman Lichdi als Erzäh1er und Zenturio in gewohnt souveräner und akkurater Intonation begleitet wird. Polydorus (Werner Tilling) berichtet in wohltemperiertem Bariton und mit eindrucksvoller Phrasierung von den Seelenqualen seines römischen Statthalters Herodes, dessen Macht durch ein Kind gefährdet ist. Das gefühlvolle Dirigat des Initiators und musikalischen Leiters Gerhard Noé spannt die melodiösen Fäden zwischen den einzelnen Szenen, deren stark wechselnde Tempi einen stimmigen Einsatz des Orchesters und des Chors der Wahrsager und Engel erfordern. Axel Humbert (Bass-Bariton) überzeugt als Herodes im goldenen Umhang und lorbeer-gekränztem Haupt mit einer Bandbreite emotionaler Zwischentöne, die seine Seelenqualen verdeutlichen. Anrührend wirkt die Darbietung von Maria (Sandra Lang-Hempel) mit dem Jesuskind im Arm. Der reine Sopran der Ludwigsburgerin hat den Chor schon öfter stimmbildnerisch unterstützt und brilliert auch jetzt in weicher Auslotung der Stimmungsskalen. Michael Styppa (Bariton) begleitet sie einfühlsam als treu umsorgender Josef auf der Flucht nach Ägypten, die lautmalerisch beeindruckend vom Hirtenchor umrahmt wird und mit einem sanften „Halleluja" endet.
Virtuos Im emotionalen Duett, unterstützt mit drangvoll intonierter, lautmalerischer Verzweiflung durch das Orchester, bitten Maria und Josef in Sais um Obdach und erweichen schließlich einen Ismaeliten (Werner Tilling). Der Zimmermann bietet seinem Kollegen Josef Arbeit an und die Möglichkeit, Jesus bei sich aufwachsen zu lassen. Das Finale gipfelt in einem großartigen Trio von Flöten und Harfe, dessen virtuoses Spiel von drei Ballett-Tänzerinnen ausdrucksstark umgesetzt wird, und endet mit einem chorstarken „Amen".
Der langanhaltende Applaus führt zu einer Zugabe mit Sandra Lang-Hempel, Michael Styppa, Werner Tilling, Tilman Lichdi, Chor und Orchester. Rege diskutierend honoriert das Publikum beim Verlassen der mit Teppichfliesen ausgelegten Sporthalle, die durch den Bodenschutz erstaunlich gute Akustik, die gewaltige Dimension der Aufführung und die Leistung aller Beteiligten.
Bass-Baritonsänger Axel Humbert überzeugte in der Eichbott-Halle in seiner Rolle als römischer Statthalter - im Hintergrund der Chor der Wahrsager.
Der Chor des Liederkranzes Leingarten gehört mit über 60 Sängerinnen und Sängern zu den führenden im Zabergäu-Sängerbund. Den Vorsitz hat Jochen Rummel, der das Weihnachtsoratorium als künstlerisches Mammutwerk bewertet. Die musikalische Leitung verantwortet Gerhard Noé, seit 1968 als Chorleiter aktiv. Auf dessen Initiative gehen sowohl die Aufführung als auch der Bühnenaufbau mit bemalter Litfasssäule zurück. Intendantin ist Antje Leverenz-Bätz. Presseleiterin der Freilichtspiele Neuenstadt, die kurzfristig für den verhinderten Heilbronner Schauspieler Udo Grunwald einsprang. Die Übersetzung der französischen Fassung geht auf Klaus Kreuser zurück. Dass es weltweit keine einzige deutsche Aufnahme des Oratoriums gibt, erschwerte die Arbeitsbedingungen.
Die nachstehenden Bilder wurden uns von Astrid Link zu Verfügung gestellt.
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Die Sopranistin Sandra Lang-Hempel studierte an der Hochschule der Künste in Berlin bei Kammersängerin Barbara Bornemann. Meisterkurse und weiteren Unterricht nahm sie bei Jutta Schlegel (Berlin), Mechthild Böhme (Bielefeld), Kammersängerin Carmen Mammoser (Stuttgart). In Berlin debütierte sie mit Haydns Jahreszeiten und sang in Opernproduktionen wie Dido und Aeneas, Titus sowie der Zauberflöte. Man fand ihren Namen bald häufiger in Programmen von Oratorien wie: Weihnachtsoratorium, Magnifikat von J. S. Bach, Schubert-Messe-As-Dur, Cäcilienmesse von Gounod, im Berliner und im Bielefelder Raum.
Seit 2007 ist sie - inzwischen Mutter zweier Kinder- im Stuttgarter Raum tätig, unterrichtet, singt Oratorien (Oratorio de Noel-Camille-Saint Saens - Stadtkirche Ludwigsburg – Ltg. F. Keck, Musikalische Exequien-Schütz - Stuttgart Marienkirche – Ltg, F. Keck, Salve Regina-Schubert - Stuttgarter Raum Ltg. Oliver Bensch) und gibt Konzerte und Themenliederabende in verschiedenen Formationen (Duette für 2 Soprane-Monteverdi - Ludwigsburg, Debussy-Lieder mit Klavier - Ludwigsburg; Dowland-Lieder mit Gitarre (Freiberg). Im April 2016 plant die Sängerin gerade ein Konzert mit Flöte/ Oboe und Orgel in der evangelischen Kirchengemeinde Kornwestheim. Ihr Repertoire reicht von Oper/Liedgesang über Jazz bis Musical.
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Tilman Lichdi hat sich als einer der bedeutendsten Bach und Liedinterpreten etabliert. Besonders begeistert er als Evangelist in den Bachschen Oratorien und Passionen. Bei seinem Amerikadebüt mit der Johannespassion und dem Chicago Symphony Orchestra schrieb ein Kritiker aus Chicago: "Man kann ein ganzes Leben verbringen, ohne je eine so gut gesungene Evangelistenpartie zu hören wie jene von Tilman Lichdi, und ich vergesse hierbei nicht Peter Schreier." Lichdi hat Konzerte in Europa, den USA, Australien und Südamerika gesungen unter anderem mit den Dirigenten Ton Koopman, Thomas Hengelbrock, Martin Haselböck, Peter Dijkstra, Frieder Bernius, Christoph Perick, Bernard Labadie, Marcus Bosch, Hervé Niquet, Hartmut Haenchen, Kent Nagano, Christoph Poppen, Claus Peter Flor, Michail Pletnev, Michel Corboz, Hans-Christoph Rademann und Teodor Currentzis.
Die Höhepunkte der Saison 15/16 sind Tilman Lichdis CD-Produktion der Winterreise mit Anette Fischer-Lichdi für Lichdi Records und Konzerte mit dem Weihnachtsoratorium und dem Balthasar-Neumann-Chor und –Ensemble unter Thomas Hengelbrock sowie Konzerte mit dem Nationalorchester Lyon u.a. mit Bachs Magnifikat und dem Gulbenkian Orchester Lissabon mit einem Mozart Programm, beides unter Ton Koopman. Ausserdem wird Tilman Lichdi mit dem Musikpodium Stuttgart auf eine Europatournee mit der Johannespassion gehen unter der Leitung von Frieder Bernius und die Matthäuspassion in Berlin und München singen unter Enoch zu Guttenberg. Tilman Lichdis erste Lied - CD mit Anette Fischer-Lichdi und der schönen Müllerin ist Im Herbst 2015 erschienen bei Lichdi Records. Liederabende mit der schönen Müllerin sind Anfang 2016 geplant.
Wichtige Stationen der vergangenen Jahre waren neben der Johannespassion mit dem Chicago Symphony unter der Leitung von Bernard Labadie und dem Chicago Symphony auch das Debüt mit den New Yorker Philharmonikern (Messias) ebenso wie das Australiendebut mit dem Melbourne Symphony und Haydns Schöpfung. Am Châtelet in Paris sang er in einer Neuproduktion eine Bühnenfassung des Mozartschen Messias unter der Leitung von Hartmut Haenchen ebenso wie die Johannespassion mit den Münchner Philharmonikern unter Ton Koopman und
Verschiedene Tonträger sind erschienen, die das Schaffen von Tilman Lichdi dokumentieren. Neben der Ersteinspielung des Berggeistes von Franz Danzi unter der Leitung von Frieder Bernius - bei Carus und der Einspielung von Mozarts c-Moll-Messe mit dem BR-Chor unter der Leitung von Peter Dijkstra - bei Sony-Classics, sind mittlerweile 3 Buxtehude Doppel-CD‘s mit dem Amsterdam Barock Orchestra unter der Leitung von Ton Koopman bei Challenge Classics erschienen. 2016 wird eine CD mit der Johannespassion von J.S.Bach erscheinen bei BR Klassik unter der Leitung von Peter Dijkstra sowie eine CD mit der Matthäuspassion von J.S. Bach unter der Leitung von Frieder Bernius. Tilman Lichdi war von 2005 – 2013 festes Ensemblemitglied am Staatstheater Nürnberg. Dort hat er unter anderem David in Die Meistersinger, Steuermann in Der fliegende Holländer, Tamino in Die Zauberflöte, Ferrando in Cosi fan tutte, Belmonte in Die Entführung aus dem Serail, Don Ottavio in Don Giovanni, Count Belfiore in La finta giardiniera und Count Almaviva in Il Barbiere di Siviglia gesungen. Tilman Lichdi ist Träger des Bayerischen Kunstförderpreises 2012 im Bereich Darstellende Kunst.
Tilman Lichdi wuchs bei Heilbronn auf und erhielt im Alter von 18 Jahren seinen ersten Gesangsunterricht bei Alois Treml (Staatstheater Stuttgart), studierte jedoch zunächst 4 Jahre Trompete bei Prof. Günther Beetz in Mannheim und wechselte 1999 zum Gesangstudium nach Würzburg zu Frau Prof. Charlotte Lehmann, das er mit Auszeichnung abschloss.
Herr Lichdi ist Mitglied in der Camerata Lichdi. Mehr über ihn erfahren Sie auch unter http://www.tilmanlichdi.com/
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Werner Tilling wurde 1973 in Mainz geboren. Bevor er im Jahre 2000 seine sängerische Ausbildung bei Prof. Charlotte Lehmann aufnahm, absolvierte er ein Studium für Orchestermusik im Hauptfach Violoncello.
Als Sänger tritt Werner Tilling vorwiegend im süddeutschen Raum in zahlreichen Konzerten auf, hauptsächlich im Lied- und Oratorienfach. Sein Repertoire umfasst neben den großen Passionen und Kantaten von J.S. Bach und den gängigen Oratorien auch Neue Musik wie z.B. Werke von A. Reimann.
Werner Tilling ist Mitglied der Camerata Lichdi.
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Axel Humbert studierte Gesang bei Prof. Charlotte Lehmann an der Hochschule für Musik in Würzburg. Während seines Studiums wurde er Stipendiat der Richard-Wagner-Stiftung und der Yehudi-Menuhin-LiveMusicNow-Foundation. Er debütierte 2005 als "Don Alfonso" in Mozarts "Così fan tutte" am Theater in Nordhausen. Neben überregionaler Konzerttätigkeit mit Werken wie Mozarts „Krönungsmesse“ mit den Göttinger Symphonikern, Berlioz‘s „L‘Enfance du Christ“ mit den Prager Philharmonikern, Gounods „Cäcilienmesse“ in der Wieskirche, Bachs „Kaffeekantate“ im Münchner Gasteig, Haydns Schöpfung mit der Badischen Philharmonie, Rossinis „Petit Messe Solennelle“ bei den Universitätskonzerten Konstanz und Bachs „Johannespassion“ in der Domkirche St. Eberhard in Stuttgart, gastierte Axel Humbert bei zahlreichen Opernproduktionen. So 2006 als „Antonio“ in W.A. Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“ bei den Schlossfestspielen Sondershausen und als „Colas“ in W.A. Mozarts „Bastien und Bastienne“ bei den Herrenhäuser Sommerkonzerten in Hannover. Er war 2007 als "Prospero" in Reichardts "Die Geisterinsel" im Schlosstheater Rheinsberg (Berlin) zu hören und 2008 als „Osmin“ in Mozarts „Zaide“ bei den Bodensee-Festspielen Konstanz. Von 2008 bis 2013 war der Bass-Bariton festes Ensemblemitglied am Theater Pforzheim, wo er in der Spielzeit 2013/14 als Gast in Verdis „Un ballo in maschera“ verpflichtet wurde. Axel Humbert versieht Lehraufträge für Gesang an der Akademie für Darstellende Kunst in Ludwigsburg und an der Hochschule für Musik in Würzburg. Merh über Herrn Humbert finden Sie unter http://www.axelhumbert.de
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Michael Styppa studierte Schulmusik und Gesang an der Hochschule für Musik Würzburg sowie Blockflöte an der Universität der Künste in Berlin. Er unterrichtet Musik am Gymnasium Scheinfeld und ist als Flötist Mitglied der Irish Folk Band „The ClanMakeNoise“. Außerdem tritt er als Blockflötist und Gesangssolist auf.
Seine sängerischen Aktivitäten umfassten neben Auftritten in der Opernschule der HfM Würzburg (Bartolo und Antonio in Mozarts „Le nozze di Figaro“ und Ariodates in Händels „Xerxes“) zahlreiche Bass-Soli im Oratorienfach, wie z. B. in den Requiemskompositionen von Faure und Mozart, im „Judas Maccabäus“ von Händel, in der Johannes-Passion von J. S. Bach (Arien und Jesus-Worte), in Bachs „Weihnachtsoratorium“, Mozarts „Krönungsmesse“ und der „Marienvesper“ von Monteverdi.
Die Ballettgruppe der Jugendmusikschule Freiberg a. N./Pleidelsheim.
„Different Faces“ bezeichnet die verschiedenen Gesichter, beziehungsweise Tanzstile, die die Tänzerinnen der Tanzgruppe der Jugend-musikschule beherrschen. Bereits einige Jahre tanzen die Mädchen zusammen und bleiben dabei bis es sie wegen Studium und Ausbildung in die weite Welt zieht. Wir freuen uns sehr auf den heutigen Abend und sind stolz bei diesem Projekt dabei sein zu dürfen.
Janine Grellscheid leitet die Different Faces.
Über 40 Jahre erfreuen die musikbegeisterte Instrumentalisten ihr Publikum. Abwechslung und Vielfalt der musikalischen Stilrichtungen kennzeichnen das Repertoire. Nicht selten wird das Kammerorchester zum Sinfonieorchester erweitert oder es tritt gemeinsam mit anderen Ensembles, Chören oder herausragenden Solisten auf. Die musikalische Leitung im Kammerorchester Neckarsulm hat seit 2003 Eva Janßen.